Gruppendynamik

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Gruppendynamik

 

In Gruppen von Menschen, unabhängig davon ob dies als Team bezeichnet wird, oder ob eine Gruppe von Personen über einen längeren Zeitraum immer wieder zusammenkommt, die Gruppendynamik ist immer aktiv.

 

Es gibt viele verschiedene Gruppenphasenmodelle, die auch wissenschaftlich untersucht sind.

Beispiele hierfür sind Modelle von

  • Phasenmodell nach Bruce Tucman
  • 4 Phasen der Gemeinschaftsbildung nach Scott Peck
  • Gruppenphasenmodell nach Bennis/Shepard

 

In allen selbstorganisierten Teams kann man diese Phasen der Gruppendynamik beobachten. Dies ist der gemeinsame Nenner bei allen Frameworks, die genutzt werden, um Teams einen Rahmen zu geben. Die Rahmen, die ich hier meine, sind z.B. Scrum, Desigin Thinking oder Kanban. Es gibt Teams, die sich nach Konzepten aus Lean oder Agil organisieren. Flight Levels, OKR der Liberating Structures bieten Techniken, um Teams zu Fokus zu verhelfen.

 

Des do komplexer die Herausforderungen sind, die eine Gruppe zu meistern hat, des do intensiver sind die Gruppenprozesse. Das klassische Management, mit einem Kommando und Kontrolle Ansatz, unterbindet die Selbstorganisation eines Teams. Das funktioniert gut, wenn die Aufgaben, die die Menschen verrichten, klar definiert sind und keine Kreativität erfordern. Diese Aufgaben wurden in den letzten 40 Jahren, seitdem ich in der Digitalisierung unterwegs bin, immer mehr automatisiert. Das angebrochene Zeitalter der KI beschleunigt diesen Prozess und die Kreativität der Menschen zeichnet sie aus als Abgrenzung zum Roboter. Gleichzeitig steigt die Komplexität. Mit Komplexität meine ich einen Kontext, bei dem mehr unbekannt ist als bekannt. Wenn mehr bekannt ist als unbekannt, dann kann ein LLM Modell oder eine speziell mit Maschine-Learning trainiertes System mit hoher Wahrscheinlichkeit ein gutes Ergebnis liefern. Des do komplexer der Kontext, des do intensiver ist nach meiner Erfahrung die Gruppendynamik.

 

 

Warren Bennis beschreibt in seinem Entwicklungsmodell drei Phasen, die den Reifeprozess von Individuen und Gruppen im Hinblick auf ihre Führungskompetenzen und zwischenmenschlichen Beziehungen darstellen. Diese Phasen sind:

 

  1. Dependenz (Abhängigkeit): In dieser Phase sind Individuen oder Gruppen stark auf Führungspersonen oder externe Autoritäten angewiesen. Sie erwarten klare Anweisungen und Vorgaben und fühlen sich sicher, wenn sie jemanden haben, der sie führt. Hier dominieren Gehorsam und das Vertrauen auf äußere Führung.
  2. Konterdependenz (Gegenabhängigkeit/Trotz): In dieser Phase lehnen die Individuen die Abhängigkeit von Führungskräften ab und versuchen, sich davon zu emanzipieren. Es kann eine rebellische oder widerständige Haltung gegenüber Autoritäten entstehen. Dies ist ein notwendiger Schritt, um eigene Identität und Selbstständigkeit zu entwickeln.
  3. Interdependenz (reifes Miteinander): Diese Phase steht für eine reife, gegenseitige Abhängigkeit, in der Menschen zusammenarbeiten, Verantwortung teilen und in einem kooperativen Verhältnis stehen. Hier erkennen die Individuen, dass gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit effektiver sind als völlige Unabhängigkeit oder starre Abhängigkeit.

 

Dieser Reifeprozess veranschaulicht, wie Führungskräfte und Teams sich von Abhängigkeit zu einer selbstbestimmten, kollaborativen und gegenseitig unterstützenden Dynamik entwickeln können.

 

Agile Transformation

Diese Phasen im Reifungsprozess beobachte ich regelmäßig bei der agilen Transformation in Unternehmen. Als ich vor mehr als 15 Jahren die ersten Teams bei ihrer agilen Transformation in Deutschland und der Schweiz begleiten durfte, da war Agilität noch unbekannt und Pioniere waren in Aktion. In den Unternehmen war dies regelmäßig Grass-Root Bewegung. Einzelne Teams fingen an sich in Konterdependenz zur Hierarchie des Unternehmens, nach Scrum, zu organisieren. Diese Teams erreichten den Reifegrad der Interdependenz und waren sehr erfolgreich und effektiv.

 

Weil Teams mit Scrum weltweit so erfolgreich waren, erlebte ich und meine Kollegen aus der Scrum.org, auch aus Schweden, den Niederlanden und Polen, in der nächsten Stufe vor ca. 10 Jahren, wie Agilität von oben angeordnet wurde. Das ging in vielen Fällen gut. Unternehmen, wie Microsoft, schafften es mit der agilen Transformation zurück an die Weltspitze. Leider führte diese von oben angeordnete Agilität in vielen Fällen zum Missbrauch der Scrum Terminologie. Die Meetings waren kein reifes selbstorganisiertes Miteinander, sondern das Daily Scrum wurde zur täglichen Kommandozentrale und das Review wurde zum Kontrollmechanismus. Das ist nicht zielführend und in diesem Fall ist es besser, bei klassischem Management zu bleiben. Aus anderer Sicht betrachtet kann man sagen, dass die Konterdependenz einer missbrauchten Agilität zu verbrannter Erde führt. Facaden-Scrum braucht rebellischen Widerstand. Dies ist der einzige Weg zu Interdependenz und damit das reife Miteinander. Der Streit, welches Framework jetzt hilft, der ist überflüssig. Die Gruppendynamik ist stärker und entscheidend. In reifen agilen Organisationen, wie Spotify, heißt das nicht mehr Scrum, sondern das Spotify Modell.

 

Hier ist es interessant, die agile Community der Berater, Coaches, Mentoren und Trainer unter die Lupe zu nehmen. Auch in dieser Community beobachte ich die 3 Phasen im Bennis Modell. Ein Trainer oder Coach stößt bei der Einführung von Selbstorganisation auf eine Gruppenphase des Kunden, die sich über die Konterdependenz zur Interdependenz entwickeln sollte. Dies ist eine herausfordernde Aufgabe, bei der in der Phase der Konterdependenz die Fetzen fliegen. Manche nennen es auch das Tal der Tränen. Es ist mir im bei der Begleitung von vielen Teams in vielen Unternehmen klar geworden, wie wichtig ein sauberer Prozess der Facilitation hier ist. Dazu ist auch ein klarer Auftrag erforderlich. Hier kommt ein Oxymoron ins Spiel, wo sich die Katze in den Schwanz beißt. Fast immer sind die Personen, die die Aufträge miteinander aushandeln Andere als die, die den Auftrag ausführen. Verkäufer vereinbaren Verträge mit Käufern. In diesen Verträgen ist kein Platz für die Konterdependenz Krise.

 

Gehorsam und Vertrauen auf äußere Führung muss überwunden werden. Hier schlägt das Immunsystem eines Unternehmens an. Teamleiter und Projektleiter müssen in dieser Phase neue Rollen finden. Unternehmen sind so organisiert, dass das Gehalt an der Position in der Hierarchie hängt. Da kommt eine Existenzangst ins Spiel, die eine Entschärfung braucht.

 

Fazit

Dieser Reifungsprozess in Organisationen hin zu Interdependenz ist unumgänglich in Zeiten von Steigerung in Komplexität durch künstliche Intelligenz.